Geschlechtsunterschiede in der Anatomie des Gehirns

Auf einen Blick

  • Eine Analyse von mehr als 2.000 Gehirnscans zeigte geschlechtsspezifische Unterschiede im Volumen bestimmter Regionen im menschlichen Gehirn.
  • Die Ergebnisse werfen ein Licht auf die Mechanismen, die zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei Hirnerkrankungen und Verhalten beitragen können.
Silhouetten eines Mannes und einer Frau mit Zahnrädern im KopfWissenschaftler fanden Unterschiede im Volumen bestimmter Hirnregionen zwischen den Geschlechtern. Youst / DigitalVision Vectors / Getty Images

Während es viele Ähnlichkeiten zwischen Männern und Frauen gibt, kann das Geschlecht einen Unterschied für einige Gesundheitsrisiken und Verhaltensweisen machen. Zum Beispiel haben Frauen ein höheres Risiko für bestimmte psychische Erkrankungen, wie Depressionen. Männer haben ein höheres Risiko für bestimmte neurologische Entwicklungsstörungen, wie z. B. Autismus-Spektrum-Störungen. Studien haben auch geschlechtsspezifische Unterschiede bei bestimmten kognitiven Aufgaben, wie der Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, gezeigt. Aber was diesen Unterschieden zugrunde liegt, ist nicht vollständig geklärt.

Forscher haben bei Tieren Geschlechtsunterschiede im Volumen bestimmter Gehirnregionen beobachtet. Einige Studien deuten darauf hin, dass diese anatomischen Unterschiede vor allem auf die Auswirkungen von Sexualhormonen auf die Gehirnentwicklung zurückzuführen sind. Neuere Forschungen legen nahe, dass die Aktivität oder „Expression“ von Genen auf den Geschlechtschromosomen eine Rolle bei der Ausprägung dieser anatomischen Unterschiede spielt. Jede Zelle in Ihrem Körper trägt ein Paar Geschlechtschromosomen, auch Ihre Gehirnzellen. Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer haben ein X und ein Y.

Um die Geschlechtsunterschiede im menschlichen Gehirn zu erforschen, analysierte ein Team um Dr. Siyuan Liu und Armin Raznahan vom National Institute of Mental Health (NIMH) des NIH Neuroimaging-Daten, die von zwei unabhängigen Datenbanken stammen. Das Human Connectome Project umfasste 976 gesunde Erwachsene im Alter zwischen 22 und 35 Jahren. Der UK Biobank Neuroimaging-Datensatz stammte von 1.120 Erwachsenen im Alter von 44 bis 50 Jahren. Die Ergebnisse wurden am 20. Juli 2020 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.

Im Durchschnitt zeigten Männer und Frauen ein größeres Volumen in verschiedenen Bereichen des Kortex, der äußeren Hirnschicht, die das Denken und die willkürlichen Bewegungen kontrolliert. Frauen hatten ein größeres Volumen im präfrontalen Kortex, orbitofrontalen Kortex, superioren temporalen Kortex, lateralen parietalen Kortex und der Insula. Männer hatten im Durchschnitt ein größeres Volumen in den ventralen temporalen und okzipitalen Regionen. Jede dieser Regionen ist für die Verarbeitung verschiedener Arten von Informationen verantwortlich.

Das Team verglich seine anatomischen Befunde mit öffentlich verfügbaren Karten der Genexpression im Gehirn. Diese Karten beruhen auf mehr als 1.300 postmortalen Gewebeproben von sechs menschlichen Spendern. Das räumliche Muster der Geschlechtsunterschiede im kortikalen Volumen war ähnlich dem räumlichen Muster der Geschlechts-Chromosom-Genexpression im Kortex. Regionen mit relativ hoher Expression geschlechts-chromosomaler Gene wiesen bei Männern tendenziell ein größeres kortikales Volumen auf als bei Frauen.

Die Forscher verglichen die anatomischen Ergebnisse auch mit Daten aus mehr als 11.000 funktionellen Neuroimaging-Studien. Solche Studien untersuchen die Gehirnaktivierung während bestimmter Aktivitäten oder Bedingungen. Von 50 kognitiven Kategorien waren fünf mit anatomischen Unterschieden verbunden: visuelle Objekterkennung, Gesichtsverarbeitung, kognitive Kontrolle, Hemmung und Konflikt. Die Gesichtsverarbeitung zeigte die stärkste Assoziation.

„Die Entwicklung eines klareren Verständnisses der Geschlechtsunterschiede in der menschlichen Hirnorganisation ist von großer Bedeutung dafür, wie wir über die gut etablierten Geschlechtsunterschiede in der Kognition, im Verhalten und im Risiko für psychiatrische Erkrankungen denken“, sagt Raznahan. „Wir wurden von neuen Erkenntnissen über Geschlechtsunterschiede in Tiermodellen inspiriert und wollten versuchen, die Lücke zwischen diesen Tierdaten und unseren Modellen der Geschlechtsunterschiede im menschlichen Gehirn zu schließen.“

Mehr Forschung ist nötig, um zu bestimmen, ob diese anatomischen Unterschiede eine Rolle bei Geschlechtsunterschieden in Kognition und Verhalten spielen.

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