WENN ES KEINE EPILEPSIE IST … | Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry

SYNKOPIE

Synkopen sind die häufigste „nicht-epileptische“ Ursache für Bewusstseinsveränderungen. Die beiden Haupttypen sind reflexartige (vasovagale) und orthostatische Synkopen. Weniger häufige, aber schwerwiegendere Ursachen sind kardiale und zentralnervöse Synkopen.

Reflexsynkope

Diese wird durch übertriebene, aber normale kardiovaskuläre Reflexe verursacht und tritt daher bei ansonsten gesunden Personen auf, hauptsächlich bei Kindern und jungen Erwachsenen.

Klinische Merkmale

Tabelle 1 zeigt Merkmale, die vasovagale Synkopen von epileptischen Anfällen unterscheiden.

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Tabelle 1

Klinische Unterscheidung der vasovagalen Synkope von epileptischen Anfällen

Auslöser sind u. a. längeres Stehen (Schulversammlung), Aufstehen aus dem Liegen (Badezimmer in der Nacht), heiße, überfüllte Umgebungen (Restaurant), emotionales Trauma und Schmerzen (Arztbesuch). Zu den Prodromalsymptomen (Präsynkopen), die sich über 1-5 Minuten entwickeln, gehören Benommenheit, Übelkeit, Schwitzen, Herzklopfen, graues oder schwarzes Sehen, gedämpftes Hören und ein Gefühl der Ferne.

Zeugen können Blässe, Schwitzen und kalte Haut beschreiben. Der Muskeltonus ist schlaff, manchmal mit einigen unkoordinierten klonischen Zuckungen, die nach dem Sturz auftreten. Ein häufiger Fehler ist es, eine Synkope als Krampfanfall zu bezeichnen, wenn ein Zeuge von Schütteln berichtet (konvulsive Synkope).2 Inkontinenz und Verletzungen sind selten und seitliches Zungenbeißen selten. Die Erholung erfolgt in der Regel schnell und ohne Verwirrung.

Mechanismus

Der Mechanismus ist komplex. Der venöse Rückfluss sinkt, wenn sich das Blut entweder in den Beinen (längeres Stehen) oder in den splanchnischen Gefäßen (erhöhter vagaler Tonus – zum Beispiel als Reaktion auf das Sehen von Blut) ansammelt. Das Herzzeitvolumen sinkt daher, aber der Blutdruck wird zunächst durch eine sympathisch induzierte periphere Vasokonstriktion aufrechterhalten. Der Bezold-Jarisch-Reflex wird ausgelöst, wenn kräftige Herzkontraktionen Mechanorezeptoren der Ventrikelwand stimulieren und 5-Hydroxytryptamin (5-HT, Serotonin) vermittelte vagale Afferenzen erregen, die fälschlicherweise ein überfülltes Herz „suggerieren“. Der daraus resultierende Anstieg der Vagusaktivität und der reduzierte Sympathikustonus setzen trotz des fallenden Blutdrucks einen Teufelskreis aus Bradykardie, fallendem peripheren Widerstand und abruptem Kreislaufkollaps in Gang. Zusätzlich erklärt die dem Kreislaufkollaps vorausgehende zerebrale Vasokonstriktion die dem starken Blutdruckabfall vorausgehende Präsynkope.

Untersuchungen

Die Anamnese gibt in der Regel die Diagnose vor. Ein Elektrokardiogramm (EKG) ist indiziert, wenn die Synkope bei Belastung, im Liegen oder bei Herzklopfen auftritt (siehe Herzsynkope unten). Signifikante Blutdruckabfälle im Liegen kommen bei ambulanten Patienten selten vor; vielmehr zeigt der Blutdruck meist den normalen anfänglichen Anstieg beim Aufstehen. Der Kipptischtest (60° Kippung für 45 Minuten) (Abb. 1A) ist daher bei diagnostischen Zweifeln wichtig.3 Er ist hochsensitiv (< 90 %) und spezifisch (70 %) für eine Synkopenneigung. Maßnahmen zur Induktion einer Synkope – z. B. mit Isoprenalin – führen schneller zu einer Synkope, jedoch mit geringerer Spezifität.

iv xmlns:xhtml=“http://www.w3.org/1999/xhtml Abbildung 1

Herzfrequenz- und Blutdruckänderungen während der Kipptischuntersuchung bei (A) vasovagaler und (B) orthostatischer Synkope.

Management

Eine Erklärung und Haltungshinweise – Kopf nach unten oder flach hinlegen bei Symptombeginn oder langsam aufstehen aus dem Liegen – sind oft ausreichend. Verhaltenspsychotherapie und systematische Desensibilisierung können bei spezifischen Auslösern helfen – zum Beispiel, wenn man Blut sieht. Zu den Medikamenten gehören β-Blocker4 zur Begrenzung heftiger Herzkontraktionen, Salzbelastung oder Fludrocortison zur Verhinderung einer kardialen Unterfüllung oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zur Modulation vagaler Hirnstammreflexe. Ein Zweikammer-Herzschrittmacher kann bei schwerer (maligner) vasovagaler Synkope helfen: Die Aufrechterhaltung der Herzfrequenz trotz fallendem Blutdruck verhindert die Synkope zwar nicht, ermöglicht aber präsynkopale Symptome (und Ausweichmanöver).

Orthostatische Synkope (autonome Insuffizienz)

Bei Menschen mit einer autonomen Funktionsstörung fällt die normale vasokonstriktive Reaktion auf einen posturalen Blutdruckabfall aus. Die Synkope tritt innerhalb von Sekunden oder Minuten nach dem Aufstehen auf, insbesondere beim Aufstehen und nach Mahlzeiten. Anders als bei der reflexartigen vasovagalen Synkope bleibt die Haut warm, die Pulsfrequenz ist trotz des Blutdruckabfalls unverändert und Schwitzen bleibt aus.

Die autonome Dysfunktion kann mit einer autonomen Neuropathie (z. B. Alter, Diabetes, Alkohol, Amyloidose) oder einer komplexen autonomen Insuffizienz (multiple Systematrophie) zusammenhängen. Medikamente wie Antihypertensiva, Phenothiazine, trizyklische Antidepressiva, Antiparkinsonmittel und Diuretika verschlimmern das Problem.

Der Blutdruck im Liegen und Stehen (Haltungsabfall ohne Pulsveränderung) liefert die Diagnose. Weitere autonome Funktionstests (Blutdruck und Pulsfrequenz bei Hyperventilation oder Valsalva-Manöver) und ein Kipptischtest sind ebenfalls hilfreich (Abb. 1B). Wichtig ist der Ausschluss einer Anämie oder Hyponatriämie.

Zur Behandlung gehört das Absetzen von provozierenden Medikamenten und das Vermeiden bestimmter Situationen, wie langes Stehen, große Mahlzeiten und Alkohol. Kopfhochlagerung in der Nacht kann helfen. Fludrocortisonacetat (50-200 μg täglich) ist die übliche Erstlinientherapie.

Herzsynkope

Herzsynkope entstehen entweder durch Rhythmus- (elektrische) oder strukturelle („Leitungs“-) Störungen und sind potenziell lebensbedrohlich. Einige plötzliche ungeklärte Todesfälle bei Epilepsie sind zweifellos fehldiagnostizierte kardiale Synkopen. Eine Synkope kann in jeder Lage (eine arrhythmogene Synkope tritt häufig im Bett auf), bei Anstrengung oder Emotion auftreten. Eine Synkope bei körperlicher Anstrengung erfordert den dringenden Ausschluss einer kardialen Ursache, obwohl sich die meisten als reflektorische vasovagale Synkope herausstellen.

Tachyarrhythmien

Rasche Tachykardien reduzieren die Herzleistung durch unvollständige diastolische Kammerfüllung. Palpitation tritt während und zwischen den Attacken auf. Supraventrikuläre Tachykardien sind häufig, oft gutartig und in der Regel nicht mit einer strukturellen Herzerkrankung assoziiert; ventrikuläre Tachykardien sind schwerwiegender und treten oft mit einer Herzerkrankung auf.

Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (kurzes PR-Intervall und Deltawelle) prädisponiert zu „Re-Entry-Tachykardien“ durch einen abnormen Kurzschluss, das Kent-Bündel. Das verwandte Lown-Ganong-Levine-Syndrom zeigt ein kurzes PR-Intervall, aber keine Deltawelle.

Erbliche lange QT-Syndrome sind Kalium- oder Chloridkanalstörungen, die zu einer variablen Refraktärität zwischen benachbarten kardialen Myofibrillen führen.5 Daraus resultierende „Mikro-Reentry“-Phänomene provozieren „Torsades de pointes“, eine potentiell tödliche ventrikuläre Tachyarrhythmie, bei der sich die QRS-Achse wiederholt um 360° dreht. Die wichtigsten genetischen Syndrome sind Romano-Ward (autosomal dominant) und das Jervell- und Lange-Neilsen-Syndrom (autosomal rezessiv, schwerer und mit Taubheit). Es kommt zu rezidivierenden Synkopen, insbesondere beim Aufstehen. Typischerweise fallen die Patienten, liegen still und krampfen dann. Das Risiko eines plötzlichen Todes macht ein Familienscreening dringend erforderlich.

Erworbene QT-Veränderungen, die zu Arrhythmien prädisponieren, sind häufig. Verkürzungen treten bei Digoxin, Hyperthermie und Hyperkalzämie auf, Verlängerungen bei einigen Antiarrhythmika, Antihistaminika und bei ischämischen Herzerkrankungen.

Bradyarrhythmien

Chronische Bradykardie – z. B. kompletter Herzblock – reduziert die Herzleistung und beeinträchtigt den zerebralen Kreislauf; Patienten entwickeln Müdigkeit sowie Synkopen.

Die Karotissinus-Hypersensibilität ist eine häufige Ursache für Sinusarrest und „Drop Attacks“.6 Sie tritt bei 10-20 % der über 60-Jährigen auf, vor allem bei Männern, von denen etwa 20 % eine Synkope haben, die auf Karotisdruck zurückzuführen ist (z. B. enger Kragen, Kopfdrehen usw.). Die diagnostische Carotis-Sinus-Massage wird in Rückenlage (bei starkem Verdacht auch im Stehen) unter EKG- und Blutdruckkontrolle durchgeführt. Jede Karotis wird für < 15 Sekunden massiert (mit > 15 Sekunden Pause zwischen den Seiten). Positive Reaktionen sind entweder kardioinhibitorisch (Sinuspause > 3 Sekunden), vasodepressorisch (Blutdruckabfall > 50 mm Hg), oder gemischt. Zu den Risiken gehören verlängerte Asystolie, transiente oder permanente neurologische Defizite und plötzlicher Tod.

Andere Ursachen für eine reflexartige bradykarde Synkope sind das Valsalva-Manöver (z. B. Husten oder Trompetersynkope), Schlucken (oft mit Glossopharyngeusneuralgie) oder Miktion.

Strukturelle kardiale Ursachen

Linksventrikuläre Ausflusstraktobstruktion (Aortenstenose, hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) und linksventrikuläre Unterfüllung (Mitralstenose, Vorhofmyxom) reduzieren das Schlagvolumen. Auch eine kardiale Pumpeninsuffizienz (Kardiomyopathie, ischämische Herzerkrankung, arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie (ARVD)) reduziert das Herzzeitvolumen. In jedem Fall ist die Synkope jedoch hauptsächlich vasovagal, da die heftigen Ventrikelkontraktionen zu einem erhöhten Vagustonus führen.

ARVD ist autosomal dominant und kann als plötzlicher Tod auftreten. Die Diagnose ist ohne Familienanamnese schwierig, da EKG-Anomalien (invertierte T-Wellen in V2-V4) nur in 70 % auftreten und die fleckige rechtsventrikuläre Wandfibrose bei einer Endokardbiopsie übersehen werden kann.

Zentralnervensystem (ZNS)-Synkope

Es gibt verschiedene Muster von ZNS-Synkopen:

▸ Intermittierender obstruktiver Hydrozephalus (dritte ventrikuläre Zyste, Chiari-Malformation) präsentiert sich typischerweise als „Druck“-Kopfschmerz, der sich über mehrere Sekunden aufbaut, bevor das Bewusstsein verloren geht. Die mögliche Folge ist der plötzliche Tod. Erschütternde (unmittelbar posttraumatische) Krampfanfälle treten innerhalb von Sekunden nach einer akuten Kopfverletzung auf. Sie sind nicht epileptisch, zeigen keine typischen EEG-Veränderungen und sagen keine spätere Epilepsie voraus. ▸ Autonome Dysreflexie kann nach kompletten Rückenmarksläsionen auftreten. Der Verlust der autonomen Blutdruckkontrolle ermöglicht eine intermittierende massive Hypertonie, die manchmal ausreicht, um das Bewusstsein zu verändern. ▸ Zwischenhirnanfälle nach diffusen Hirninsulten (Kopfverletzung, hypoxische Enzephalopathie) manifestieren sich als intermittierende Hypertonie, Schwitzen, Tachykardie und sogar Bewusstlosigkeit.

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